Schach - Kreisliga 5. Spieltag

TSV Lengfeld/Schernau (1403) – Rieneck/Ruppertshütten (1447) – 3 : 5

19.1.2020: Der vorletzte Sargnagel? Oder: die Chance nicht genutzt …

Nach dem Wettkampf gegen Rieneck/Ruppertshütten bleibt festzustellen, dass die Kreisliga aktuell wohl eine Nummer zu groß für uns ist – zumindest, wenn man die Spieler zu Grunde legt, die spielen wollen. Somit sind wir erstmals in Bestbesetzung aufgetreten. Und ein Unentschieden wäre gut machbar gewesen, wenn nicht unsere typischen leichten Fehler uns das Genick gebrochen hätten. Falls wir die Wahl haben, einen erreichten Vorteil zu sichern, wählen wir zu oft die komplizierte Variante anstatt die einfache.

Michael hat es heute besonders eilig. Welche Eröffnungsstrategie beide sich ausgedenkt haben, ist nicht wirklich ersichtlich. V. a. bei Michael. Mal ins geschlossene System schnuppernd, dann doch wieder am Damenflügel agierend, ist nach 14 ½ Zügen Schluss. Ohne dass auch nur ein Stein das Brett verlassen musste, einigt man sich auf Unentschieden. Wobei das schon noch ganz spannend hätte werden können, betrachtet man die Bauernstrukturen: a3, b4, c3, d3, e4, f4, g2 und h2 gegen a6, b5, c5, d5, e6, f7, g6 und h7. Abgesehen von Michaels Lg5 befinden sich alle Figuren hinter den eigenen Bauernreihen. So machte man das früher auf den Schlachtfeldern. Beide Kommandanten positionieren ihre Streitkräfte nach bestem Wissen und Gewissen, reiten sodann, eine Flagge in der Hand, aufeinander zu, treffen sich in der Mitte und verhandeln. Wird man sich einig, ist alles vorbei. Gibt einer kampflos auf, erhält er zum Trost noch Ländereien und/oder Titel. Einigt man sich nicht, kommt es zur Schlacht. Ausgang ungewiss. Michael und Wolfgang verhandeln respektvoll und kurz. Logische Folge: ½:½.

Ich sehe mich Meister Bausewein gegenüber und weiß sofort: das wird heute was Längeres werden. Ist es doch einer der Kandidaten, der bis zum letzten Moment kämpft, nicht aufgibt, selbst in nahezu ausweglosen Situationen. Das durfte schon Thomas vor 2 Jahren in Ruppertshütten erfahren. Also ran an den Speck. Endlich spielt mal Jemand Spanisch gegen mich. Und das erste Mal seit Ewigkeiten kommt die Cordel-Variante zum Zuge. Zumindest demzufolge, was ich spiele. Relativ schnell kann ich ihm signalisieren, dass ich auf Gewinn spielen werde. 0-0-0 im 8. Zug ist ein klares Zeichen. Das Zeichen soll auch bald Früchte tragen. Sein unrochierter König, meine Lb6, Td8 (verstecktes Gardé gegen Dd1) und meine Dc5 verschaffen mir neben der besseren Entwicklung den ersten Mehrbauern. Auch wenn’s ein Doppelbauer ist, aber immerhin.

Heiko dürfte sich nach dem Spiel ähnlich gefühlt haben wie ich. Wie mein Gegner hat auch seiner kein Land zu sehen bekommen. Scheinbar verwirrt er seinen Gegner mit seiner abstrusen Eröffnungsvariante und erobert nicht nur im 10. Zug einen Springer gegen einen Bauern sondern verfügt nach 20 Zügen über 2 Springer gegen 2 Bauern. Allerdings verfügt Schwarz über Gegenspiel am Königsflügel, da Heikos Damenflügel – abgesehen von Lb2 – unentwickelt ist.

Die verzweifelte Suche Sergeys nach ausreichendem Verbandszeug dauert noch 12/13 Züge. Aber die geschlagenen Wunden sind zu tief. Und Sergey wird es wohl nicht mehr lernen, Beton anzurühren, um dem Gegner den möglichen Sieg zu erschweren. Da wird immer noch aktives Gegenspiel versucht. Auf dass der Gegner noch mehr Raum (und in diesem Fall auch noch Material) erobern kann. ½:1 ½.

Endlich kann Andy seine Entwicklung vollenden. Nach Sg8-h6 zeitnah 0-0 und f4-f5 (Weiß hat Dame und Turm auf der f-Linie in Stellung gebracht) wäre durch e6xf5 parierbar. Aber Andy greift zu Ke8-d7 und damit wieder daneben. F5-f6 mit Angriff gegen Le7 und Bg7 bzw. der Drohung Le3xSh6. Andy kämpft/versucht es mit einem Bluff. La6xSe2 mit Gardé. Aber durch das erfolgte g7xTh8=D hat Weiß letztendlich Andys Turm erobert. Da helfen dann auch alle Bluffs und Trix nix mehr. Weiß behält einen Turm mehr und sichert sich nach 2 ¼ Stunden den Sieg zum ½:2 ½.

Sebastian merkt man mittlerweile deutliche Fortschritte an. Entweder ist er den grausamen Weg gegangen und hat aus eigenen Fehlern gelernt oder er ist den Weg eines Weisen gegangen und hat aus dem Gehörten bzw. den Fehlern anderer gelernt J. Jedenfalls spielt er einen gediegenen Italiener, ohne Sperenzchen bzw. Firlefanz. Denkt man zumindest so bei den ersten 7 Zügen. Besagter 7. Zug befragt mittels h2-h3 Lg4. Alles fein. Aber dann g2-g4, dann gar Sf3-h4. Gut, dass das der eigene Schachnachwuchs nicht sehen kann. Warum dann auch noch beide Th8-f8 bzw. Th1-f1 jeweils der eigenen Rochade vorziehen, das wird wohl in die Lengfelder Annalen eingehen. Da bin ich mir absolut sicher. Das habe ich in fast 38 Jahren Turnierspielen noch nie gesehen. Auch Fritz wendet sich da einfach ab, möchte diese Züge nicht wirklich kommentieren J. Dann wird erstmal fröhlich abgetauscht, sodass nach 15 Zügen sich noch 2 Damen, 4 Türme, 2 schwarzfeldrige) Läufer und 15 Bauern (Verhältnis 8:7 für den Gegner) auf dem Brett tummeln. Bei Sebastian mündet das Spiel nach vorgenannter Abtauscherei rasch auf den Remisabzweig. Trotz Mehrbauer (in Form eines Doppelbauers auf der c-Linie) akzeptiert Sebastians Gegner das Remisangebot. Sebastians Herrschaft über die/auf der a-Linie, die verschachtelte Bauernstruktur und ein zweiter Doppelbauer veranlassen Schwarz dazu, Sebastians ausgestreckte Hand anzunehmen zum 1:3. (Wie wird das eigentlich nach Corona? Wird man da sich vor und nach dem Spiel noch die Hände reichen? J)

Herbert steht nach 20 Zügen klar auf Gewinn. Doch wie gewinnen jetzt? Beide Königsflügel werden eher durch ein Schlösschen als durch ein Schloss geschützt, die Mauern sind auch schon löchrig. Aber Herbert hat wenigstens seine Streitmacht gen Richtung Kg8 aufmarschieren lassen, während sein Pendant seine Heerscharen auf beiden Flügeln verteilt. Herbert kann sich hinter seinem Vorposten, Be5, geduldig aufbauen. Das macht er auch äußerst geduldig. Da merkt man den Fahrlehrer. Auf der Landstraße wird auf unübersichtlichen und kurvigen Strecken auch nicht überholt. Man wartet, bis die Sicht frei ist und man genug Schwung aufnehmen kann. Im 30. Zug ist es soweit. Das vorletzte Stück der gegnerischen mauer könnte man mittels Th2xh5 aufbrechen. Schutzlos steht der isolierte und einsame Bauer auf diesem Feld. Ausschau haltend nach Verstärkung. Aber sie kommt nicht rechtzeitig. Kommt sie nicht? Kommt sie doch! Herbert meint, eine Turmverdoppelung auf der h-Linie ist dann noch effektiver. Aber dass dann der Bauer doch noch Verstärkung erhält durch Lh7-g6, darüber sehen wir einfach mal großzügig hinweg. Wie gesagt: wieso einfach, wenn‘s auch…. Nun erfolgen hüben wie drüben, links wie rechts Täuschungsmanöver. Bis sich auf den Königsflügeln alles festgefahren hat, kein cm Bodengewinn mehr möglich ist. Also wendet sich Herbert spät, aber nicht zu spät, dem Damenflügel zu. Klingt ja auch viel attraktiver. Die b-Linie kann er turmunterstützt offen legen. Verbündet mit Lf3 stellen letztendlich diese drei Steine eine unaufhaltsame Lawine dar. Dann wird auch noch der schwarze Ba5 durch das heroische Eingreifen der Königin erobert. Nicht nur die b-, auch die a-Linie ist nun Herberts. Die Operation am offenen Herzen überlebt Schwarz nicht lebend. Es brechen alle Dämme. Unter den Toten findet sich auch die schwarze Königin. Irgendwann, nach 3 ½ Stunden gibt Schwarz endlich auf zum 2:3.

Christian agiert also mit diesem Doppelbauern, nachdem zuerst der Damentausch und anschließend ein Offizierstausch auf g6 erfolgte. Das Geschehen verlagert sich auf die c-Linie. 4 Türme, zwei schwarzfeldrige Läufer und je 7 Bauern, versuchen durch geschicktes Taktieren und Manövrieren, entscheidenden Raum auf dem Spielbrett zu erobern. Der Zeitfaktor rutscht immer mehr in den Mittelpunkt. Züge gehen bei der Notation verloren und der Berichterstatter sieht sich gezwungen, das gute alte analoge Analysebrett dem PC vorzuziehen, um irgendwie im Dschungel der Mitschrift den Überblick zu bewahren. Es gelingt nach einigen großzügigen Versuchen, bei denen letztendlich einfach die Figuren entsprechend der Notation nach dem 40. Zug auftauchen. Wo sie zwischen dem 36. und 41. Zug Zwischenstation gemacht haben, ging wohl in den tiefen Schluchten der Höhle Morias verloren. Jedenfalls offenbart sich ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis. Ob nochmal Remis angeboten wurde, ist nicht mehr eruierbar; dessen Annahme hätte sich aber auch auf Grund der Gesamtsituation verboten. Das Feld hat sich gelichtet. Jeweils ein Turm und 5 Bauern, verteilt auf je 2 Bauerninseln, stehen sich gleichgewichtig gegenüber. Wobei eben die Hälfte des seinerzeitig entstandenen Doppelbauers verlustig droht zu gehen. Und außerdem wird Christians König auf der 6. Reihe unter Beschuss genommen. Tc2-c6+. Mutig stellt sich Christians Turm wie einst bei Monty Pythons „Schwarzer Ritter“ dem Angreifer in den Weg – Td8-d6. Um im nächsten Moment (leider) genauso belämmert wie der arm- und beinlose „Schwarzer Ritter“ verzweifelt dem Gegner hinterher zu rufen: „In Ordnung, einigen wir uns auf Unentschieden!“ Aber Herr Kistner ist nicht König Artus, sondern fährt mit e4-e5+ - gestützt von Bd4 – den sofortigen Sieg zum 2:4 ein.

Nach der beidseits dann mittels 0-0-0 vollendeten Entwicklung beginnt bei mir das übliche taktische Geschachere. Mal da eine Drohung errichten, mal dort etwas Raum erobern, mal die Übersicht erleichtern durch Abtauschfolgen. Mein Mehrbauer bleibt mir erhalten. Seine Sternstunde sollte später kommen. Meines Gegners Negativsternstunde ereignet sich im 27. Zug. Einfach so. h7-h6 bedroht Sg5. Weiß erwidert g3-g4. Ich glaube, das ist mir in den letzten 10 Jahren nicht passiert, dass mein Gegner einfach so eine Figur einstellt. Denn nach Df5xSg5 habe ich einen Springer und einen Bauern mehr. Totgewonnen. Und auch noch Damentausch. Was soll da noch schief gehen? Ich kann sogar einen Bauern zurückgeben. Springer und Turm schnüren dem gegnerischen König die Luft und Bauern ab. Da kann sein mittlerweile befreite g-Bauer ruhig vorwärts laufen. Bb2 wird meine nächste Beute. Aber bitte doch mit Tg2xb2+ und dann wieder zurück! Nicht Sc4xb2! Das kommt davon, wenn man schön spielen will! So wird der Springer letztendlich gegen den g-Bauern getauscht. Kein „gut Tausch“. Bleiben vier schwarze gegen zwei weiße Bauern. Alle auf dem Damenflügel und ich habe immer noch den Doppelbauern auf der c-Linie. Der Gewinnweg? Finde ich im Blitz binnen Sekunden. Doch heute? Nicht binnen 1 Stunde. Bis ich mich entscheide, zwei gegen einen Bauern zu geben, damit mein König über den Rubikon bis nach d3 gelangt. Freibauer auf c4 gegen weißen Ba4, der von schwarzen Ba5 gebremst wird. Das muss doch reichen. Es reicht! Turmtausch auf d2. Nach c3-c2 muss Ka2-b2 erfolgen, doch nach Kd3-d2 und a6-a7 verwandelt sich mein c-Bauer strahlend und Schach bietend zur Königin. Und der weiße Bauer guggt in die Röhre, Doch leider sitze ich einem Trugschluss auf. Denn Ka2-b2 ist nicht erzwungen, sondern a6-a7 folgt sogleich. Und so beiße ich mir heute noch in den Hintern, die Partie nicht gewonnen zu haben. Eine wirklich schön gespielte Partie. Aber bei solchen Böcken ist der Sieg einfach unverdient. 2 ½:4 ½.

Wie ergeht es nun Heiko? Kann man von Heiko dasselbe verlangen wie von mir? Eine gewonnene Partie schnurstracks und sicher zu gewinnen? Nein, dafür fehlt ihm einfach die taktische Routine. Heiko überdenkt jeden Zug rechnend, ähnlich Sergey. Beide sind wahnsinnig kreative Spieler, was mitunter aber dazu führt, dass sie sich selber im Wege stehen. Anstatt erstmal die noch existenten Gefahrquellen des Gegner auszuschalten, das Geschehen zu beruhigen und zu vereinfachen, lassen sie sich mitunter von gegnerischen Bluffversuchen auf den Leim führen. So geschieht es auch, dass Heiko einen Turm gegen einen Läufer zurückgeben muss, um sich anschließend auch noch dem schwarzen Turmgeschwader auf der h-Linie zu erwehren. Es gerät auch noch auf g5 ein schwarzer Bauer ins Laufen. Die Stellung bleibt kompliziert und die Zeit wird weniger. Schwupps, verschwindet ein Springer gegen einen Bauern. Materialistischer Ausgleich wieder gegeben. Turm gegen Springer und Läufer. Trotzdem kämpft Heiko weiter. Meine Partie ist ja auch gewonnen. Ein Sieg brächte also ein 4:4. Endlich findet Heikos Springer sein Traumfeld d5 und besetzt es. Der schwarze König ist auf a6 weit von seinen letzten beiden Schutzmächten, D und T, weit entfernt. Irgendwie wird es zu gewinnen sein. Aber nach dem kläglichen Ende meiner Partie einigt sich Heiko auch auf ein Unentschieden zum 3:5.

Das war der Wettkampf, bei dem wohl am leichtesten ein Sieg möglich war. Wenn ich meine Partie gewinne, gewinnt auch Heiko seine. Und ein Unentschieden mehr hätte gereicht. Aber uns unterlaufen v. a. zum Ende einer Partie hin zu viele Ungenauigkeiten oder gar krasse Fehler. Und davon nehme ich mich nicht aus.

Mc Hofi

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